New Work in der Agentur: Bye Projekt-Zeiterfassung

Kann man von Digitalisierung reden, wenn die Kolleginnen und Kollegen ihre Tasks in einen Block Papier schreiben? Naja, jede:r wie man will, doch gibt’s mittlerweile echt bessere Möglichkeiten die Aufgaben zu managen – und nicht nur das. Gerade in Marketing-Agenturen, die nicht nur verschiedene Projekte, sondern auch einen Haufen verschiedener Kund:innen haben, wirds schnell mal unübersichtlich. Müssen dann auch noch die Stunden auf den einzelnen Projekten erfasst werden, wirds echt nervig. Wir haben dafür seit einigen Jahren eine top Lösung gefunden: Digitales Kanban. 

Projektmanagement mit Kanban statt in Kunden zu denken

Ich könnte euch jetzt erstmal erklären, dass Kanban auf japanisch Karte bedeutet und 1947 von Taiichi Ohno im Rahmen des Just-In-Time-Systems bei Toyota erfunden und eingeführt wurde. Vereinfacht könnt ihr es euch so vorstellen: Ihr sammelt erst mal alle Aufgaben für alle Kunden, die in einer Woche erledigt werden müssen – total egal, wer welchen Kunden betreut. Es geht um den Workload. In der Non-Remote-Variante und zum Start schreibt ihr die Aufgaben auf Post-Its und sortiert sie nach Priorität. Klingt unlogisch? Versprochen, am Ende dieses Artikels wird es klar.

Folgendes solltest du über Kanban wissen, um es zu verstehen. Kanban beruht auf 4 Prinzipien:

  • Starte mit dem, was du hast
  • Fördere Führung auf allen Ebenen
  • Respektiere den aktuellen Prozess
  • Verbessere schrittweise

Diese zwei Quellen sind zu empfehlen:

Der Buch: KANBAN in der Praxis – Vom Teamfokus zur Wertschöpfung von Klaus Leopold

Das Video von der Boris Gogler Counsulting: https://www.borisgloger.com/agile/kanban

 

Die 6 Kanban Praktiken

Um Kanban effizient umzusetzen, ist hier wichtig, von Anfang an das Team mit zu involvieren. Organisation ist eine Team-Aufgabe und kein reiner Management-Prozess. Deshalb haben wir, bevor wir Kanban eingeführt haben, mit der ganzen Agentur einen Kanban-Workshop gemacht, der genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten wurde. 8 Stunden lang mit einem Whiteboard und ganz vielen Post-its! Hier ging es nicht lange um die Theorie. Wir haben recht schnell angefangen zu erarbeiten, wie Kanban für uns aussehen könnte. Anhand der sechs Kanban-Praktiken wurde dann unser Kanban-Prozess definiert. 

 

1. Macht Arbeit sichtbar

Die Arbeit wird sichtbar gemacht, indem sie auf Post-Its geschrieben wird. Jeder Post-It ist eine Aufgabe. Für uns war es wichtig, nach Kunden-Projekten sortieren zu können. Deshalb haben wir oben links den Kundenkürzel angegeben, in der Mitte die Aufgabe. Unten rechts wird dann, wenn jemand sich die Aufgabe nimmt, der Namen der Person eingetragen. Diese Person ist dann der Owner der Aufgabe.

2. Steuert den Fluss

Die Aufgabe wird, bis sie erledigt ist, verschiedene Phasen durchlaufen. Das Kanban Modell folgt dieser Reihenfolge:

  • Open: offene Aufgaben
  • Committed: zugewiesene Aufgaben für den Tag
  • Work in progress: Aufgaben in Bearbeitung
  • Done: erledigte Aufgaben
     

Für uns hat diese Reihenfolge nicht ganz gepasst, deshalb haben wir einen für Agenturen wichtigen Schritt hinzugefügt: “In approval”. Hier gelangen die Aufgaben, wenn sie gerade bei den Kund:innen zur Freigabe liegen oder wenn wir auf Input warten.

3. Limitiert Work-in-progress

Ziel von Kanban ist es, sich genau auf eine Aufgabe zu konzentrieren und nicht 12 verschiedene parallel anzufangen und nicht zu Ende zu bringen. Multitasking sollte vermieden werden. So dürfen nicht mehr als zwei Aufgaben pro Person in Work-in-Progress stehen. Am besten nur eine. Denn mal ehrlich: Wann habt ihr das letzte Mal zwei Sachen genau gleichzeitig gemacht? Geht nicht.

4. Stellt Regeln auf

Diese Regeln funktionieren für uns seit Jahren super: 

  • Nur für eine Woche planen
  • Alle Aufgaben werden nach Prioritäten sortiert
  • Erst die Prio 2 Aufgaben angehen, wenn alle Prio 1 erledigt sind
  • Am Montag werden alle Aufgaben für die Woche geplant
  • Jeden Morgen um 10:00 Uhr gehen wir beim Daily Stand-up gemeinsam die Aufgaben durch

5. Implementiert Feedback

Projektmanagement nach Kanban funktioniert nur, wenn man es durchzieht und immer wieder optimiert. Ja, immer wieder. Weil die Projekte sich ändern, das Team wächst oder schrumpft und man arbeitet mehr von zu Hause usw. Dementsprechend muss sich auch Kanban anpassen. Wir haben für das erste Jahr einmal im Monat mit dem ganzen Team einen Feedback-Termin gemacht. Und haben Vieles probiert und optimiert. Noch heute, nach über drei Jahren Kanban, feilen wir an unserem Prozess. Wir setzen uns nicht mehr einmal im Monat zusammen, aber immer noch alle zwei bis drei Monate.

6. Führt gemeinschaftlich Verbesserungen durch

Nach den Feedback-Terminen überlegen wir gemeinsam, wie wir verschiedene Punkte optimieren können. Zum Beispiel, wie man es schafft, dass die Daily Stand-ups auch beim wachsenden Team bei maximal 15 Minuten bleiben. Oder wie man bei großen Projekten den Überblick behält. Die Ideen zur Optimierung testen wir aus – wenns klappt, ist es super, wenn nicht, fliegt es wieder raus.

Ciao Post-Its, Hello monday

Das ganze Post-It-System geht aber auch digital: Mit Beginn der Pandemie sind wir auf das Tool monday.com umgestiegen. So können wir unsere Wochen durch Kanban digital strukturieren. 

Montags haben wir um 11:00 Uhr Queue Replenishment Meeting – in kurz QRM – in dem wir alle Aufgaben für die Woche in Monday eintragen. Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag gehen wir die Aufgaben nach Priorität durch. Meistens arbeiten wir bis Mittwoch an den Prio 1 Aufgaben und dann können wir Donnerstag und Freitag in Ruhe die Prio 2 und 3 angehen. Wichtig: Niemand schnappt sich eine hohe Prio, wenn die absolut wichtigen Aufgaben noch nicht erledigt sind. Unabhängig davon, ob es der eigene Kunde ist oder nicht. Team-Work bedeutet, jeder hängt mit drin. Das heißt, am Montag wissen wir genau, was diese Woche ansteht und wo es gerade brennt. Wenn bei jemandem gerade zu viele Aufgaben absolute Priorität haben, teilen wir diese Aufgaben im Team auf. Aufgaben, die nicht so kritisch sind, werden nach hinten geschoben. So vermeiden wir Überstunden und können auch schnell auf spontane Anfragen reagieren  – und wenn wir gerade keine Kapazitäten haben, auch absagen. Neue Tasks werden erst mal nach Priorität bewertet und eingeplant. Wir haben immer einen Überblick über unsere Projekte und können gut einspringen, wenn jemand ausfällt. 

In der Kanban-Ansicht kann jeder Mitarbeitende sein persönliches Kanban-Board sehen. Das ist dann sozusagen eine ToDo Liste.

Kanban für Agenturen – die Tipps von Startup Communication

Ich hoffe mit diesem Beitrag, dass Agenturleiter:innen sich trauen, anders zu denken. Agentur kann auch ohne Zeiterfassung und starres Account-Denken leben. Das beweisen wir schon seit über drei Jahren und wir sind nicht die einzige Agentur, die keine Zeit mehr erfasst! Hier ein paar letzten Tipps zu Kanban von mir und der SC-Crew:

  • Startet mit dem “Schiffe falten” Experiment – sorgt für den ultimativen AHA-Effekt und ist im Kanban-Buch beschrieben.
  • Involviert von Anfang an euer Team
  • Passt den Prozess genau euren Bedürfnissen an
  • Ihr solltet unbedingt mit Post-Its auf der Wand starten
  • Haltet die Daily-Stand-ups ein und stoppt am Anfang die Zeit
  • Lasst Kritik und Feedback von allen zu
  • Keine Detail-Gespräche über Aufgaben während der Kanban-Meetings
  • Optimiert kontinuierlich